Wie man mit Kindern über den Tod sprechen kann

Familienfeier. Die Großfamilie sitzt um den Tisch, es wird erzählt, gegessen und getrunken, die Stimmung ist gut. Plötzlich sagt der vierjährige Simon: »Gell Uroma, du bist schon alt. Du wirst bald sterben.

Abschied, Sterben und Tod

« Entsetztes Schweigen - bis die Uroma sagt: »Ja, ich bin schon alt, ich habe schon sehr viel erlebt. Und ich werde sterben. Wann genau, das weiß kein Mensch, nur Gott. Aber bis dahin freue ich mich, mit euch zusammen zu sein und zu sehen, wie du, Simon, wächst und groß wirst.« Kleine Kinder reden ganz unbefangen über den Tod. Wenn eine nahe stehende Person stirbt, sind Erwachsene und Kinder gleichermaßen betroffen. Hier die richtige Sprache zu finden, ist nicht einfach, aber von großer Bedeutung.

Abschied, Sterben und Tod bringen uns oft an die Grenze der Sprache, viele verschiedene Gefühle und Gedanken machen es schwer, all die Empfindungen in Worte zu fassen. Es geht nicht darum, Kinder vor dem Thema Sterben und Tod zu verschonen, sondern ihnen zu helfen, Trauer und Abschied ertragen zu lernen und Hoffnung zu finden. So steht am Beginn des Themas die Frage, was die Erwachsenen in schweren Stunden trägt und welche Hoffnung sie begleitet. Es kann spannend sein, sich als Paar, als Vater und Mutter auszutauschen: Was sind deine/meine Erfahrungen mit Sterben und Tod? Wie wurde in der eigenen Familie darüber gesprochen? Mit welchem Sterben war ich als Jugendliche/r konfrontiert? Was gab, was gibt mir Hoffnung?

Wir lernen an den »kleinen Toden«

Abschied nehmen ist immer auch ein bisschen Sterben - so heißt ein französisches Sprichwort. Bereits Kinder müssen Abschied nehmen - von der Spielgruppe, vom Kindergarten, von Freunden bei einem Ortswechsel, wenn ein Haustier stirbt, wenn Eltern sich trennen, wenn ein naher Mensch stirbt. Wir als Erwachsene sind Vorbilder, indem wir den Kindern vorleben, dass wir uns trotzdem einlassen und andere Menschen lieben, auch wenn wir wissen, dass Abschied und Ende unumgänglich sind.

Gefühle brauchen Ausdruck

Trauerreaktionen sind auch bei Kindern vielfältig; es gibt Wut, Ohnmacht, Traurigkeit, Ärger und Schuldgefühle, aber auch betonte Fröhlichkeit, Ablenkung, Verdrängung, Neugier. Und es gibt auch bei Kindern keine Norm, welche Gefühle bei einem Todesfall auftreten und wie ein Kind diese Gefühle ausdrückt. Erwachsene müssen den Kindern helfen, diese Gefühle wahrzunehmen, sie auszuhalten und auszudrücken. Das erfordert von Erwachsenen, die eigenen Gefühle zuzulassen.

Kinder spüren vor den Worten, welche Empfindungen »erlaubt« sind und welche nicht. Es braucht Worte für die Gefühle und Erinnerungen, es braucht Achtsamkeit und Zeit. Es braucht aber auch »unbeschwerte« Zeit, in der das Kind wieder beim Spielen sein kann. Kinder wechseln häufig viel schneller als Erwachsene die Stimmung, ein Kind kann bei der Erinnerung an den Opa traurig werden, es kann aber einige Minuten später wieder im Spiel versunken sehr zufrieden und fröhlich sein.

Wie Kinder über den Tod denken

Ein naher Freund der Familie stirbt, die Eltern erzählen ihren beiden Töchtern, sieben und neun Jahre alt, davon. Sie reden vom Verstorbenen, tauschen Erinnerungen aus, die beiden Mädchen beschließen, dem Verstorbenen noch ein Bild zu malen und einen Brief zu schreiben. Die Jüngere malt ihr Bild, dann sagt sie zur Mutter: »Nimm du das Bild mit zum Grab. « Die ältere Tochter hingegen will mit zur Beerdigung, sie will den Brief ins Grab werfen, die Mama soll mitgehen. Parallel zur Denkentwicklung verstehen Kinder immer mehr vom Tod. Schon dreijährige Kinder beschäftigen sich damit. Gegenstände, die in Bewegung sind, sehen sie als »lebendig« an, sie assoziieren bewegungslos mit »tot«. Das Vokabular wird verwendet, es löst aber noch kaum Gefühle aus.

Anlass für vielfältige Fragen

Sechsjährige Kinder haben bereits die Endgültigkeit des Todes übernommen, Todesfurcht kann entstehen, Neugier und Interesse am Tod und den Begleiterscheinungen können Anlass zu vielfältigen Fragen sein. Mit etwa acht, neun Jahren entwickelt sich das Zeitverständnis und die Vorstellung von »ewig« weiter, es kommt zu einem realistischen Todeskonzept, der Tod steht am Ende des Lebens und trifft alle Menschen, Angst vor dem Sterben lieber Angehöriger kann entstehen. Ab etwa zehn Jahren kann der Tod die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Lebens insgesamt auslösen, alle Lebensziele und Ideale werden durch den Tod in Frage gestellt, Jenseitstheorien regen zum Weiterdenken an.

Kinder kommen mit dem Sterben von Haustieren in Berührung, sie sind von Trennungen und vom Sterben Angehöriger betroffen. Da die Eltern des Kindes in einer solchen Situation oft selbst betroffen und in Trauer sind, können auch andere Erziehungspersonen das Kind begleiten. Was ist also für das Gespräch mit Kindern zu beachten? Es gibt keine fixen Regeln, wie wir mit Kindern über Tod und Trauer reden. Sicher ist aber, dass Kinder erwachsene Personen brauchen, die selbst Gefühle haben - und Worte dafür, die Halt und Sicherheit geben, die sich in der Trauer nicht zurückziehen vom Kind. Kinder müssen über Todesfälle in der eigenen Familie und im Freundeskreis informiert werden.

Klare Worte sind wichtig

Bei Fragen des Kindes gilt es zuzuhören und zu verstehen, was das Kind beschäftigt, und es muss spüren, dass auch seine Gefühle ernst genommen werden. Manche Fragen können Erwachsene beantworten, andere regen zum Gespräch an, um gemeinsam nach Antworten zu suchen, miteinander zu überlegen: Ich stelle mir das Leben nach dem Tod so vor, ich glaube so ... Was denkst du? Klare Worte sind wichtig, verschleiernde Worte verwirren das Kind. Sätze wie »Gott hat die Oma zu sich geholt« können dem Kind Angst machen; ein ambivalentes Gottesbild, dass Gott geliebte Menschen von uns wegholt, kann ein Kind nicht oder nur schwer einordnen. Begriffe wie »schlafen« oder »eine Reise machen« zur Verschleierung von Sterben können dem Kind ebenfalls Angst machen. Trauer braucht Zeit, Trauer braucht Stille. Darin können Erinnerungen ihren Platz haben, aber auch Zorn und Alleinsein, darin können Tränen fließen. So bekommen Kinder auch genügend Gelegenheit, ihre Gefühle über einen Verlust zu zeigen und »durchzuarbeiten«.

Eine Kerze für die Verstorbenen

Rituale erinnern und vergegenwärtigen, sie helfen, den Verstorbenen ins Leben einzubeziehen, sie können die Lebenden mit den Verstorbenen verbinden, indem eine Kerze angezündet wird, ein guter Gedanke an den Verstorbenen geschickt wird. Kinder sollen nicht verschont und nicht vertröstet werden, sondern sie haben teil am Leben, und zum Leben gehört das Sterben. Aber sie benötigen den Halt und die Sicherheit von Erwachsenen, damit sie nicht allein sind. Kinder müssen zudem wissen, dass ihre Eltern gut auf sich selbst achten, damit sie lange am Leben bleiben.

Im Kinderbuch »Pele und das neue Leben« von Regine Schindler trauert Pele um seinen verstorbenen Freund Tomo. Die Mutter sagt zu ihm: »Tomo hat jetzt keine Schmerzen mehr. Er ist im Himmel. Dort ist es wunderschön. « Aber das macht Pele nur ärgerlich, »der Himmel ist weit weg«, sagt er. Da antwortet seine Mutter: »Nicht dieser Himmel, Pele! Es ist ein neues Leben. Ein Leben mit Gott. Wir nennen es Himmel. «

Sich selbst dem Thema stellen

Mit Kindern über den Tod zu sprechen ermöglicht den Erwachsenen, sich selbst dem Thema zu stellen. Es geht dabei nicht um »pädagogische« Antworten, sondern darum, sich ehrlich einzulassen auf die Gefühle und die Fragen des Kindes zu diesem Thema. Bewusst zu leben heißt, als Erwachsene den Tod nicht zu fürchten. Dann werden auch die Kinder das Leben schätzen lernen.

Helga Kohler-Spiegel